Effizient üben mit mehr Motivationn

“Alles, was wir tun, hat eine Motivation. Das, was uns oft nicht klar ist, ist das Ziel!” Als ich diesen Satz zum ersten Mal im Rahmen einer meiner Weiterbildungen hörte, war ich zunächst ganz schön verwirrt. Denn wenn alle Handlungen motiviert sind – warum fühle ich mich dann oft so unmotiviert? In diesem Artikel verrate ich dir, welche Theorie meine Verwirrung aufgelöst hat. Und ich bin mir sicher, dass sie dir auch dabei helfen wird, deine Motivations-Killer zu enttarnen.

Das mit dem Üben und der Motivation ist ja so eine Sache. Wenn’s gut läuft, sind wir hoch motiviert. Dann macht es Spaß, wie sehen Erfolge, spüren, dass wir uns entwickeln, dass etwas passiert. Noch besser: Wenn auch andere bemerken, dass wir uns verbessert haben, dass wir uns entwickeln können. 

Blöd nur, dass diese Verbindung aus gut geübt = mehr Motivation = freudig geübt = mehr Erfolg = voll motiviert = weiter geübt = noch mehr Motivation… sich genauso in die andere Richtung steigert: nicht soooo gut geübt = halbgut abgeliefert = schlechtes Gewissen oder Druck = keine Lust zu Üben (also sich damit auseinanderzusetzen) = kein Fortschritt = noch weniger Motivation = noch weniger Entwicklung = noch mehr schlechtes Gewissen = noch weniger Lust … Wie kommst du da wieder raus?

Werde aktiv!

Um dich motiviert zu fühlen oder zu erleben, musst du selbst aktiv werden. Oder besser: kannst du selbst aktiv werden. Du bist nicht von äußeren Umständen oder von anderen Personen abhängig, um deine Motivation zu finden und vor allem auch: um sie aufrecht zu erhalten. Um auf meine eingangs erwähnte Verwirrung zurückzukommen: sie hat sich schnell gelegt und sie ist einem guten Gefühl gewichen. Dem Gefühl, dass ich, wenn ich mich unmotiviert erlebe, etwas dagegen tun kann – und zwar nicht nur, mich zu zwingen oder zusammenzureißen! Ich selbst habe es in der Hand, ob ich mich motiviert fühle. Dafür habe ich den Blick weg von dem Gedanken »Du musst motiviert sein!« hin zu meinen Zielen gerichtet. Wenn ich mich heute unmotiviert erlebe, dann stelle ich mir die Frage: Was kann ich tun, welches Ziel kann ich finden, um motiviert das zu tun, was getan werden muss.

Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (SDT)

Zum Thema Motivation gibt es verschiedene Theorien und Erklärungsansätze. Gesucht wird nach Gesetzmäßigkeiten, die motiviertem Handeln zugrunde liegen. In diesem Artikel stelle ich dir die Selbstbestimmungstheorie von Edward Deci und Richard Ryan (Self-determination ­Theory SDT, 1987, 2000) vor. Sie bietet nach meiner Erfahrung wunderbare Möglichkeiten, der eigenen Motivation – oder ihrem Fehlen – auf die Spur zu kommen. Doch nicht nur das: Sie eröffnet Handlungsoptionen, so dass du für dich herausfinden kannst, an welcher Schraube du drehen kannst, um motiviert das zu tun, was du tun willst.

Ich stelle hier verkürzt die Grundgedanken der Theorie vor. (Wenn du weiterlesen möchtest: unter diesem Suchbegriff findest du im Internet zahlreiche Artikel.) Deci und Ryan haben bei ihren Forschungen drei psychologische Grundbedürfnisse ermittelt, deren Befriedigung für unser Wohlbefinden und mehr noch für unsere Motivation wichtig sind. Frustration und Unzufriedenheit liegt demnach in der ausgebliebenen Befriedigung eines oder mehrerer der Bedürfnisse begründet. 

Die drei Grundbedürfnisse sind (siehe Abbildung oben):

  • Erleben von Autonomie
  • Erleben von Kompetenz
  • Erleben sozialer Eingebundenheit

Mit der Idee von Autonomie verbinden sie das Erleben von Sinnhaftigkeit: das, was ich tue, ergibt für mich Sinn. Ich erlebe mich als selbstbestimmt und frei in meiner Entscheidung.

Das Bedürfnis nach Kompetenz-Erleben lässt sich gut mit dem Streben nach Selbstwirksamkeit beschreiben: Das Wissen und das Vertrauen darauf, schwierige Herausforderungen aufgrund der eigenen Fähigkeiten meistern zu können. Situationen, in denen wir unser Können und Verstehen erweitern, die uns zeigen, dass wir uns entwickeln, erleben wir als motivierend.

Und sich selbst als Teil einer Gemeinschaft zu erleben ist essentiell für unser Wohlbefinden. Selbst gewähltes Alleinsein steht dem nicht im Wege. Anders als das Gefühl von Einsamkeit, das als ein Ausschluss aus der Gemeinschaft erlebt wird.

Soweit zur Theorie. Und wir gehen gleichmal weiter in die Praxis. Mit einer ersten kleinen Aufgabe für dich. 

Deine Aufgabe

Greif dir aus deinem Alltag Situationen heraus, in denen du dich unmotiviert erlebst. Das muss nichts Großes sein! Eine Tätigkeit, die du vielleicht gern vor dir herschiebst. Oder vielleicht hast du auch ein ganz aktuelles Beispiel. Jetzt gehe anhand deines Beispiels die drei Bedürfnisse der SDT durch und schau, welches nicht befriedigt wird. 

Ganz wichtig: Es geht um das eigene Erleben. Nicht darum, was andere sagen. Ein Beispiel: Wenn andere sagen: “Ich weiß gar nicht, was du hast: du weißt doch, dass du das kannst!” – dann heißt das nicht, dass wir uns auch selbst so erleben. Anderes Beispiel: »Klar kannst du selbst entscheiden« ist ein Satz ohne Wirkung, wenn wir die Situation so erleben, dass eine bestimmte Antwort oder Verhalten von uns erwartet wird – und wir eben gerade nicht selbst entscheiden können. Also achte gut auf die Gefühle und Gedanken. Wie erlebst du die Situation?

Prokrastination

Seit dieses schicke Fachwort in aller Munde ist, könnte man glatt den Eindruck bekommen, dass es nun ja nicht mehr so schlimm ist. Früher, ja, da galt man als faul oder unorganisiert oder nicht ehrgeizig genug. Jetzt klingt es eher wie eine Veranlagung. Als könnte man nichts dafür. “Ich habe da so ein Leiden”. Diagnose: Prokrastination. Tja, da kann man wohl nichts machen. 

Die SDT bietet dir auch hier die geeignete Brille, um dir selbst – oder deinem Verhalten – auf die Schliche zu kommen. Denn ja, auch Prokrastination ist motiviert. Und wenn du bei dir beobachtest, dass du dich sehr gern ablenken lässt oder immer erst noch ganz dringend Blumengießen/Spülmaschine ausräumen/Tante Anna anrufen musst, obwohl du ja eigentlich üben wolltest – dann überlege, inwieweit diese Tätigkeiten deine Bedürfnisse nach Sinn, Kompetenz oder Gemeinschaft eher befriedigen als das Üben. Vielleicht kannst du deine Ablenkungs-Bereitschaft auch als Anzeichen dafür nutzen, dass es an der Zeit ist, das Ziel deiner Übeeinheiten mal wieder zu überdenken – und zu schauen, was du tun kannst, um dranzubleiben.

10 Tipps für mehr Motivation

Und? Hast du auch schon mal im Netz nach solchen Tipps gesucht? Und auch welche ausprobiert? Ich schaue da regelmäßig nach. Und diese Tipps dort sind für mich meist eine Erinnerung daran, warum ich die Theorie von Deci und Ryan so gern mag. 

Die Tipps im Netz sind alle wunderbar: Such dir ein Ziel, plane ein Vorspiel, spiel immer erst was Schönes und am Ende ein Lieblingslied, mach dir Kerzen an, nutze ein Übe-Tagebuch, nimm dir feste Zeiten vor, such dir einen schönen Ort … alles geeignet. Wirklich! Doch das allein genügt nach meiner Erfahrung nicht. In Gesprächen mit Klientinnen und Klienten oder Studierenden kommen diese Tipps immer wieder vor – aber eher als Zeugnis des Scheiterns. “Ich hab das ja versucht, aber bei mir funktioniert das irgendwie nicht. Ich kann mich trotzdem nicht aufraffen.” Und ganz schnell eilen die Gedanken voraus und drücken dir einen Stempel auf: du bist eben nicht begabt genug, du willst es ja nicht wirklich, du bist zu faul, du strengst dich nicht genug an…denn bei allen (!) anderen funktioniert das doch prima!

Wie du dich da raus holst? Nutze dafür die Ideen der SDT: Finde heraus, warum dieser Tipp allein nicht genügt. Ein Vorspieltermin motiviert dich nicht? Dann frage dich, welchen Sinn es für dich haben kann: Bist du selbst davon überzeugt? Wofür genau willst du den Termin nutzen? 

Fragen über Fragen

Dann die Frage nach dem Kompetenz-Erleben: Fühlst du dich in der Lage, bis zum Vorspiel angemessen vorbereitet zu sein? Weißt du, was du tun musst, damit du das Stück gut üben kannst? Oder gibt es Probleme, bei denen du keine Ahnung hast, wie du sie in der Griff bekommen sollst? Denn nur davon, dass du mehr übst, übst du nicht automatisch besser oder organisierter. Macht dir der Termin Druck?

Und die Frage nach der Gemeinschaft: Wer unterstützt dein Vorhaben? Fühlst du dich damit in guter Gesellschaft? Oder eher alleingelassen – weil keiner deiner Freunde und Freundinnen versteht, warum du plötzlich alle Verabredungen absagst, um zu üben.

Motivationskiller enttarnen

Es müssen nicht alle drei Bedürfnisse genau gleich bedient werden. Vielmehr bieten Sie einen guten Ansatz, um einen Blick auf deine fehlende Motivation zu werfen. Oder warum ein Motivationstipp bei dir eher als Motivations-Killer wirkt. Denn wenn du zum Beispiel herausgefunden hast, dass ein Vorspieltermin dich nicht motiviert, weil du keine Ahnung hast, wie du das bis dahin alles hinbekommen sollst – dann kannst du genau an dem Punkt ansetzten und dir Unterstützung holen.

Wenn “am Ende ein schönes Lied” dir lächerlich vorkommt, weil du deine Zeit lieber sinnvoll nutzt: dann lass es. Oder finde einen Sinn: Du spielst am Ende drei vertraute Stücke durch, um dich nicht auf Töne und Finger und Rhythmus konzentrieren zu müssen. So kannst du Ansatzkondition und Durchspielen trainieren.

Ist das Ziel, das du verfolgst, geeignet, dich zu motivieren? Oder ist es an der Zeit, deine Ziele neu zu definieren? Um das zu erreichen, was du erreichen willst?

Darum geht es. Und das herauszufinden ist die große Aufgabe beim Lernen. Beim Üben. Um Sinn im Tun zu finden und Freude an der eigenen Entwicklung zu erleben. Um Leistungseinbrüche zu überwinden und dranzubleiben. Um sich selbst zu vertrauen und das gute Gefühl zu genießen, auch in Vorspielsituationen abliefern zu können. Lernende auf dieser Entdeckungsreise zu begleiten und zu unterstützen, das ist es, was mich motiviert. 

Also los: finde deine Motivationskiller – und mach dich daran, deine Ziele so zu definieren, dass sie dich motivieren.