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Unterrichtswerk "Addizio!": Jörg Sommerfeld im Gespräch

Herr Sommerfeld, bringen Sie mit "Addizio" ihre eigenen Erfahrungen ein?
Ich habe eher versucht, ein Konzept zu entwickeln, das man in den Unterrichtssettings des Grundschulprogramms »Monheimer Modell« und in Bläserklassen verwenden kann, um den Kindern und der Situation gerecht zu werden.

Können Sie nun Leuten jetzt mal zeigen, wie es richtig funktioniert?
Ich würde mir nicht anmaßen, deutschlandweit sagen zu können, wie Bläserunterricht richtig funktioniert. Ich weiß nur ganz sicher, dass es bestimmte Ansätze, etwa ein Einzelunterrichtsansatz, in der Bläserklasse sehr schwer haben. Wenn man so denkt wie im Einzelunterricht, wird man im Gruppenunterricht oder in einer Bläserklasse Schwierigkeiten bekommen. Und wenn man mit einem Konzept aus US-amerikanischen Middle-Schools auf eine Schule in Deutschland zugeht, bekommt man auch Probleme. Probleme entstehen dadurch, dass in Bläserklassen Kinder sitzen, die Vorkenntnisse haben. Mit denen muss man auch umgehen - und das geht nur mit Binnendifferenzierung.

Addizio

Wie ist »Addizio!« aufgebaut? Ist der Name programmatisch zu ­sehen? Stets wird etwas hinzu­gefügt, zusammengeführt?
Das kann man so sagen, ja. Allerdings ist "Addizio!" keine Schule im herkömmlichen Sinne. Das erkennt man schon daran, dass das Schülerheft - im Gegensatz zum Lehrerhandbuch - fast keinen Text enthält. Denn ich gehe davon aus, dass gerade im Bläserbereich unheimlich viele Leute unterwegs sind, die wissen, wie man unterrichtet, wie man Kinder motiviert und wie man mit ihnen umgeht. Diese Lehrer brauchen keine Textblasen, die sie den Kindern vorlesen. Ein kompetenter Lehrer erkennt sofort, was man mit dem Material anfangen kann. Der Aufbau von "Addizio!" ist dem von Ensemblematerial recht ähnlich. In die Spielstücke haben wir mit viel Mühe im Detail versucht, das Lernen des Instruments so einzubauen, dass im Musizierprozess der nächste Ton, der nächste Rhythmus, die nächste Artikulationsweise, der nächste Anteil an theoretischem Wissen mitgelernt werden kann.

Der Lehrer kann und muss ja auf den jeweiligen Lernfortschritt reagieren...
Gehen wir vom Leitbild Ensemble aus. Ein Ensemble hat ein Repertoire. Ein Ensemble arbeitet in der Regel auf den nächsten Auftritt hin. Und dann arbeitet man ja nicht linear, wie das etwa im Bläserklassenmaterial üblich ist, sondern man arbeitet zyklisch. Man hat mehrere Stücke, an denen man arbeitet. Dann wird es nach und nach ausdifferenziert. Man versucht, einen besseren Klang zu erreichen, eine sauberere Intona­tion, einen präziseren Rhythmus… Und in dieser Denkweise kann man mit den Stücken von "Addizio!" nach und nach die Kinder auch zu besserem Musizieren und zu besserem Verständnis ihres Instruments führen. Man beginnt etwas unscharf und lässt die Kinder sich nach und nach zyklisch ihrem Vermögen entsprechend weiterentwickeln.

Noch einmal nachgefragt: Was bedeutet Binnendifferenzierung in Bezug auf die Musik? 
Wenn wir unter Instrumentalpä­dagogen das Wort "Binnendifferen­zierung" verwenden, geht es meistens gedanklich darum, wie ich meine schlechten Schüler noch irgendwie mit eingebunden bekomme. Da gibt es Material auf dem Markt, das sich »binnendifferenziert« nennt. Und dann finden sich unter dem Spielsatz vier Kreuze und daneben steht: "Klatsche diesen Rhythmus". Meine Vorstellung von Binnendifferenzierung dagegen ist, dass wir es einerseits möglich machen müssen, langsamere Lerner zu berücksichtigen. Und wir brauchen hier nicht so zu tun, als ob diese Kinder dumm wären: Wenn ein Kind eine Zahnspange trägt, wird es mit der Querflöte Probleme haben. Und andererseits haben wir Kinder, die sich schnell oder extrem schnell entwickeln. Auch für diese Kinder müssen wir etwas anbieten. Wenn wir die He­raus­forderung annehmen, dann haben wir das ganze Spektrum und die Entwicklung des Ensembles­ im Blick. Ich würde mich immer­ an den besten Kindern orientieren­ und versuchen, es möglich zu machen, dass auch die schwachen­ Kinder mit den besten - die ja häufig ihre Freunde sind - gemeinsam musizieren. So ist "Addizio!" ausgelegt.

Bläserklassen müssen sich oft die Kritik gefallen lassen, dass es nach der jeweiligen Klasse nicht weiter geht bzw. dass die Nachhaltigkeit fehlt und die Kinder dann aufhören. Was ist Ihre Antwort darauf?
"Bläserklasse" ist ein Riesenthema. Wir Bläser sind hier auf der praktischen Ebene da einen großen Schritt weiter als alle anderen Instrumentalfächer. Das Verrückte ist ja, dass das alles funktioniert, obwohl es eigentlich nicht zu Ende gedacht ist. 
Bläserklassen sind manchmal problematisch, denn es gibt diese "Inselbläserklassen". Ich kenne ein Beispiel aus einer deutschen Großstadt, da macht ein motivierter Lehrer zwei Jahre lang Bläserklasse und danach heißt es: Sucht euch mal einen Privatlehrer. Warum geht das? Weil nebenan die Musikhochschule ist, an der man Studenten findet, die das übernehmen. Aber das ist eben eine Insellösung. Ich denke nicht so. So, wie "Addizio!" die verschiedenen Bläser zusammenführt, muss man auch die Ausbildungssysteme miteinander vernetzen. Und diese Herausforderung besteht vor Ort. Das müssen die Musikschulen machen, die allgemeinbildenden Schulen, die Musikvereine. Da allerdings kann ein Unterrichtsmaterial auch nur die Vorarbeit leisten. Vernetzen müssen sich letztendlich die Handelnden vor Ort.

Für wen ist "Addizio!" konzipiert? Für welche Institution? Zuerst einmal die Schule?
Da kommt es her. Aber "Addizio!" ist offen. "Addizio!" funktioniert im Gruppenunterricht und gut in Bläserklassen. Ich benutze es auch in Anfängerensembles und denke, dass es auch im Ausbildungs­bereich eines Musikvereins sehr gut einsetzbar ist.

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